Die äußere Wirklichkeit dieser Welt ist ihr Schmuck, ihre Genüsse und materiellen Möglichkeiten. Ihre innere Wirklichkeit ist ihre Vergänglichkeit, Wertlosigkeit aber auch die Prüfung des Menschen, die sich in ihr verbirgt. Was einem bei dieser Prüfung nützt und hilft, jede Vergänglichkeit zu überdauern, ist das innere Licht, der Īmān. Allāh ﷻ sagt in ungefährer Übersetzung: „Der Besitz und die Söhne sind der Schmuck des diesseitigen Lebens. Das Bleibende aber, die rechtschaffenen Werke -, sie sind bei deinem Herrn besser hinsichtlich der Belohnung und besser hinsichtlich der Hoffnung.“ (18:46)
Alles was wir sagen, tun oder besitzen hat eine äußere (ẓāhir) sowie innere (bāṭin) Dimension. Allāh hat dem Menschen zwei Mittel gegeben, um diese Dimensionen zu erkennen: Das Augenlicht (al-baṣar), die Fähigkeit alles äußerlich sichtbare zu sehen und das Herz bzw. Herzenslicht (al-baṣīra), eine Klarheit im Herzen und die Fähigkeit, Dinge in ihrer Wirklichkeit zu erkennen.
Al-Baṣīra ist die Erkenntnisfähigkeit des Herzens (quwwat al-qalb al-mudrika). Diese Erkenntnisfähigkeit besitzt jeder Mensch mit seiner Erschaffung, denn die grundsätzliche Aufgabe des Menschen ist es durch Suche und Nachsinnen, Allāh als den absolut souveränen und einzigen Schöpfer aller Dinge zuerkennen. So sagt Allāh ﷻ sagt in ungefährer Übersetzung: „Wisse also, dass es keinen Gott außer Allāh gibt“ (47:19).
Diese Erkenntnisfähigkeit bzw. Herzenslicht wird durch falsche Vorstellungen, Glaubenssätze, aber auch schlechte Taten beeinträchtig und geschwächt bis hin zu, dass es erlischt oder das Herz blind wird. So sagt Allāh ﷻ in ungefährer Übersetzung: „Gleich ist es in Bezug auf diejenigen, die leugnen, ob du sie warnst oder nicht warnst; sie glauben nicht. Allāh hat ihre Herzen und ihr Gehör versiegelt, über ihrem Augenlicht befindet sich eine Hülle. Für sie wird es gewaltige Strafe geben.“ (2:6-7) Und ebenfalls sagt Er ﷻ: „Und gehorche nicht jemandem, dessen Herz Wir Unserem Gedenken gegenüber unachtsam gemacht haben, der seiner Neigung folgt und dessen Angelegenheit (durch) Maßlosigkeit (ausgezeichnet) ist.“ (18:28) Und weiter sagt Er ﷻ: „Reisen sie denn nicht auf der Erde umher, so daß sie Herzen bekommen, mit denen sie begreifen, oder Ohren, mit denen sie hören? Denn nicht die Blicke sind blind, sondern blind sind die Herzen, die in den Brüsten sind.“ (22:46)
Der Īmān des Muslims, sein Glaube und seine innere Überzeugung, ist wie eine lodernde Flamme, die das Herzenslicht erst zu dem macht, was es sein soll und den Menschen zu dem leitet, was er sein sowie tun soll: In einem Zustand der Gottergebenheit sein (ʿIbāda) und Gottesfürchtig handeln (Taqwa).
Die Baṣīra des Gläubigen führt ihn zur Erkenntnis, dass er in allem nur noch Allāh sieht und dass Allāh ihn sieht. Als der Gesandte Allāhs ﷺ danach gefragte, was Iḥsān sei, antwortete er: „Dass du Allāh anbetest, als würdest du Ihn sehen und wenn du Ihn nicht siehst, so sieht Er doch dich.“ (Buḫārī, Muslim)
Der oder die Gläubige beginnt mit der eigenen Baṣīra, mehr mit dem Herzen als mit den Augen zu sehen und vollkommen auf Allāh und Seinem Urteil zu vertrauen. So sagt Allāh ﷻ in ungefährer Übersetzung: „Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Allāh weiß, ihr aber wißt nicht.“ (2:216)
Außerdem erkennen die Gläubigen, dass alles was, was ihnen zuteil wird oder zuteil geworden ist, einzig und allein von Allāh ﷻ kommt: Das Augenlicht, die Erkenntnisfähigkeit des Herzens, der Glaube und die Überzeugung sowie alles weitere und vorstellbare. So sagt Allāh ﷻ zum Propheten ﷺ in ungefährer Übersetzung: „Sag: Er ist es, Der euch hat entstehen lassen und euch Gehör, Augenlicht und Herzen gemacht hat. Wie wenig ihr dankbar seid!“ (67:23)
Diese Erkenntnis führt den Gläubigen zu Dankbarkeit, Dankbarkeit ggü. Allāh, aber auch Dankbarkeit ggü. den Menschen, die einem etwas Gutes tun, weil er weiß, dass auch dies von Allāh allein kommt. Außerdem beginnt der Gläubige sich selbst wertzuschätzen, als ein Geschöpf, das von Allāh ausgewählt sowie geleitet wurde und immer noch geleitet wird. Egal, wie er angeschaut wird, egal, was zu ihm gesagt wird, und egal, was ihm angetan wird, der Gläubige erkennt, dass seine Wertschätzung von Allāh allein kommt.
Al-Ustāḏ Abū ʿAlī ad-Daqqāq (gest. 405 n.H.) sagte: „Allāh der Erhabene hat die Gläubigen mit Einsichten und Lichtern ausgezeichnet, mit denen sie die Dinge erkennen.“ (ar-Risāla al-qušairīya)
Veröffentlicht im Ramadan Guide, März 2022, 1. Aufl. Hannover, IGMG Regionalverband Hannover Frauenjugend
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